- Lessing Open, Wolfenbüttel, 2021 -
27.08. - 29.08.

 
Gastbeitrag von Maik Schäfer
 
Powerplay in Wolfenbüttel

An dieser Stelle ein Gastbeitrag von Maik Schäfer. Maik hat sich vor ein paar Jahren das Schach selbst beigebracht und trat dann 2017 meinem Verein Union Oldenburg bei. Mit den beiden alten Schlachtrössern Müer und Modder hat er schon das ein oder andere Turniererlebnis hinter sich. Er macht einiges für das Spiel und hat auch die Corona-Zeit genutzt, um regelmäßig Partien mit längerer Bedenkzeit im Netz zu spielen. Das alles zahlte sich nun aus: Beim jetzt zu Ende gegangenen Lessing Open in Wolfenbüttel gelang ihm ein richtig großer Wurf! Die Leistung allgemein und ein Sieg gegen 2295 im Besonderen. Hier berichtet er selbst über seine Erlebnisse bei diesem Turnier. Die Kommentare zu den Diagrammen und Partiefragmenten sind von mir.

Erstes NSV-Turnier nach Corona mit entsprechenden Auflagen. Das heißt jeden Tag Einlasskontrolle mit Nachweisen, aber dafür dann auch ein gut gefüllter Spielsaal mit 150 Leuten. 60 davon im A-Open, in dem ich an Platz 51 startete. Nach der langen Anreise nach Braunschweig konnte ich meine Unterkunft bei Freunden auf der Couch beziehen, bevor es dann schnell zur Abendrunde ging. Wegen der Auflagen starteten wir schließlich mit zwei Stunden Verspätung. Die Bedenkzeit betrug 2 Stunden und ab Zug 40 gab es 30 Minuten extra, jedoch komplett ohne Inkrement.

In Runde 1 ging es mit Weiß gegen Justus Bargsten, gegen den ich schon einmal verloren hatte und für einen sehr starken dynamischen Spieler halte. In der Eröffnung wählte ich eine ruhigere Variante anstatt der scharfen Hauptvariante und musste einen Angriff von Schwarz über mich ergehen lassen. Als es kritisch wurde, entschied ich mich für einen Springerabtausch unter Bauernopfer, um mein Gegenspiel einzuleiten. Nachdem mein Gegner glücklicherweise die A-Linie für meine Türme öffnete, konnte ich auf der siebten Reihe mit eigenen Mattdrohungen gegenhalten. Als der Damenabtausch abgelehnt wurde, war mein Angriff dann zu stark für die schwarze Stellung und ich konnte einen schnellen Sieg einfahren. In der Analyse sprachen wir noch über die Schwierigkeit des Umschaltens von Angriff in die Verteidigung und die Überschätzung der eigenen Stellung. Ich war recht zufrieden mit der Partie und konnte kaum schlafen, nachdem die Runde erst um 0 Uhr beendet war.
 
Schäfer - Bargsten (2089) 1-0

Am nächsten Tag musste man um 9 Uhr schon wieder am Brett sitzen. Da keine Paarungen am Abend zuvor veröffentlicht wurden, konnte ich nichts vorbereiten. Dieses Mal gab es ein starkes Los mit dem sympathischen David Riemay alias „Schachpanda“, für den ich kurz vor Beginn der Runde noch eine seltene Variante gegen sein geliebtes Morra-Gambit anschaute. Glücklicherweise kam es dann auch genauso, und ich konnte durch die Theorie ordentlich Zeit gutmachen. Mein Gegner spielte die Hauptvariante und stand deutlich aktiver, als ich mich entschied eine Bauernschwächung für Remischancen in Kauf zu nehmen. Wir erreichten früh eine Stellung, in der Weiß Druck gegen meine schwachen Bauern machte, allerdings ging seine Zeit langsam zur Neige.

Im 26. Zug verblieben ihm 4 Minuten für die restlichen 14 Züge ohne Aufschlag, deshalb bot ich Remis an, was jedoch abgelehnt wurde. Im Folgenden zog er all seine Königsflügelbauern nach vorne, um mich unter Druck zu setzen. Diese Schwächung erwies sich in Zeitnot allerdings als töricht. Mit dem starken Zug 27. … Qb5 konnte ich meine Figuren gedeckt halten und gleichzeitig einige taktische Motive gegen seine Figuren und Dame aufstellen. Mit einer Minute warf er dann sogar noch einen Springer ins Feuer, um dann direkt einen ganzen Turm einzustellen. Damit konnte ich die Partie noch vor der Zeitkontrolle gewinnen und besiegte meinen bisher stärksten Spieler. Mein Gegner nahm es sehr sportlich und wir haben noch eine ganze Weile nett zusammen analysiert. Er sagte er hätte die Zeit am Ende völlig unterschätzt und hätte früher schneller spielen sollen. Insgesamt eine sehr saubere Partie von mir, wobei mir die Bauernschwäche vielleicht mit mehr Zeit zum Verhängnis geworden wäre.

Riemay (2295) - Schäfer 0-1

Mit 2/2 gelang mir ein perfekter Start und damit die Möglichkeit, in der Nachmittagsrunde gegen den späteren Turniersieger Cofmann mit Weiß anzutreten. Es folgte eine Französischvariante, in der Schwarz eine Figur für drei Bauern gab und mich etwas kalt erwischte. Ich war schon früh raus aus dem Buch, konnte aber eine Blockadestellung erreichen und so die Bauernwalze zunächst aufhalten. Nach einigem lavieren stand ich wohl leicht besser, aber konnte mich nicht aus der statischen Stellung befreien. Während ich versuchte, meinen Läufer umzugruppieren um meine Dame zu aktivieren, übersah ich den entscheidenden Durchbruch von Schwarz. Kurze Zeit später musste ich durch eine Kombination mit Turmgewinn aufgeben. Die Partie zeigt mir jedoch, dass ich auch gegen einen FM eine spielbare Stellung erreichen kann. Trotzdem muss ich dann noch bissiger kämpfen, um meine Gegner zurückzudrängen und darf niemals deren Möglichkeiten unterschätzen.
 

Schäfer - Cofmann
Weiß am Zug

Maik stand hier gut. Mit 30. Lc3 hätte er sogar etwas Vorteil gehabt. Schwarz hat zwar drei Bauern für die Figur, aber die Bauern sind nicht mobil. Er muss dann gucken, wie er aus der Sacher herauskommt. Maik deckte allerdings mit 30. De3 den Bauern a3, aber dies ermöglichte Schwarz b4, und die Bauern wurden doch noch stark.

Am letzten Turniertag hatte ich wieder Weiß und trat gegen Stephan Hansch an. Gegen den Vater Torsten hatte ich zuvor schon in Prag verloren. Im offenen Sizilianer wählte ich eine Nebenvariante, um dann voll auf Angriff zu spielen. Um meine Bauern nach vorne zu schieben, opferte ich auch noch einen Springer. Am Ende fand ich dann jedoch leider nicht mehr die richtige Fortsetzung, um die Stellung im Gleichgewicht zu halten. In der Analyse zeigten mir die Brüder noch ein paar weitere Ideen, die Weiß leicht in Vorteil gebracht hätten. In dieser Partie hatte ich einfach übertrieben und wollte in der letzten Runde noch einmal richtig angreifen.
 

Schäfer - Hansch
Weiß am Zug

Maik sollte hier 27. fxe5 Lxe5 28. Df5 spielen. Dies verhindert f5 von Schwarz und droht auch gxf7+, denn die Dame guckt sich hier auch den Tc8 an. Schwarz kann dann Remis halten, muss dies aber noch etwas zeigen. Nach 27. f5 war allerdings die Stellung zu sehr geschlossen, und der schwarze Königsangriff mit irgendwann Db4 etc. wurde zu stark.

In Runde 5 spielte ich mit Schwarz gegen Peter Müller, einen 2050er aus Berlin. Er wählte die schärfste Variante im Najdorf, strebte dann jedoch einen Damentausch an. Ich konnte mich aus der Defensive befreien und hatte obendrauf noch einen Bauern mehr. Mein Gegner wich konsequent allen Zugwiederholungen aus, um weiter auf Gewinn zu spielen. Als er einen Randbauern attackierte, konnte ich meinen Turm ins Spiel bringen. In der Folge zog er seinen König bis nach h1 zurück, wonach ich einen entscheidenden Vorteil übersah. Das dann entstandene Endspiel mit ungleichfarbigen Läufer und zwei Mehrbauern war sehr remislastig, aber schwer zu halten für Weiß. Die Zeitnot meines Gegners spielte mir in die Karten, und ich konnte nach über 60 Zügen endlich durchbrechen und die letzte Partie noch gewinnen.

Müller (2008) - Schäfer 0-1

Insgesamt ein super Turnier für mich mit einer Performance von über 2200 und ordentlichem Ratingzuwachs, der mich auf 1900 DWZ hievte. Als Startrang 51/58 erreichte ich den 14. Platz und war der „beste Spieler <2000“. Es gewann Cofmann mit 4,5 Punkten vor Browning und Schulze. Der Zeitmodus war für mich eher ein Vorteil, schließlich hatte ich im letzten Coronajahr viele Partien gespielt und war topfit. Dennoch sind 4 Minuten am Brett schnell verbraucht und kaum mit Online-Minuten zu vergleichen. An dieser Stelle möchte ich mich noch bei Enno und Anna für die Unterbringung und die super Versorgung während der Turnierzeit bedanken, die sicherlich auch zu diesem Ergebnis beigetragen hat.

Soweit Maik. Ja, das war schon recht stark. So eine Performance ist schon außergewöhnlich, vor allem der Sieg gegen David Riemay, der ja fast 2300 Punkte aufwies. Vor allem auch die Art und Weise fand ich gut: Immer aktiv, mutige Entscheidungen getroffen und dann durchgezogen. Er hat sich ja stetig entwickelt, aber das war ein ziemlicher Sprung nach vorne. Alle Achtung, wenn man so spät mit dem Spiel anfängt und sich alles selbst beipult. Bestimmt können wir in Zukunft noch die ein oder andere Glanztat von ihm erwarten!

Hier noch wie immer der Link zur offiziellen Seite: Link

Niedersachsen, im September 2021
 

Lessing bei der Analyse
der zeitgenössischen Theorie